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Flüchtlingsstrom bringt Ämter in Bedrängnis

Oberfranken – Die Bilder von dem überfüllten Flüchtlingslager in Zirndorf bewegen die Menschen. Die mittelfränkische Stadt ist die derzeit einzige bayerische Anlaufstation für Flüchtlinge aus aller Welt. Von dort aus werden die Menschen auf die Regierungsbezirke verteilt, auch nach Oberfranken. In Zirndorf herrscht seit Wochen Ausnahmezustand: Wo eigentlich nur Platz für 650 Menschen ist, leben zurzeit 1800. Sie schlafen in Stockbetten, oft drei Personen übereinander, in Zelten, die sonst für Bierfeste dienen. Es herrscht drangvolle Enge. Und das nach einer oft zermürbenden und lebensgefährlichen Flucht aus ihren Heimatländern.

Immer wieder hat unsere Zeitung in den vergangenen Tagen deshalb Aufrufe veröffentlicht, Unterkünfte für die Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen und sich mit den entsprechenden Angeboten direkt an die Städte oder Landratsämter zu wenden.

Nicht immer sind unsere Leser dort auf offene Ohren gestoßen, wie zum Beispiel Ulrich Wolfrum aus Langenbach berichtet: Bereits am Samstag vor einer Woche habe er der Regierung von Oberfranken mitgeteilt, „dass ich eine ehemalige Pension in Bad Steben zur Verfügung stellen würde, in der 40 bis 50 Flüchtlinge untergebracht werden könnten“. Die Pension stehe seit dem Tod seiner Tante im Oktober 2013 leer, aber es sei alles Nötige vorhanden. „Die Flüchtlinge könnten morgen schon dort einziehen“, sagte Wolfrum der Frankenpost . Der Mitarbeiter bei der Regierung habe jedoch wenig Interesse gezeigt und mitgeteilt, er werde das Angebot an den Landkreis Hof weiterleiten. Erst mehrere Tage später habe das Landratsamt reagiert und mitgeteilt, der zuständige Mitarbeiter sei im Urlaub, man könne sich frühestens in der nächsten Woche um die Angelegenheit kümmern, berichtet Wolfrum.

Eine andere Leserin aus Oberkotzau hatte sich ebenfalls an das Hofer Landratsamt gewandt und wollte eine Wohnung für Flüchtlinge zur Verfügung stellen. Sie erhielt die Auskunft, dass schon ein paar Leute im Landratsamt angerufen und Wohnraum angeboten hätten, „die Frankenpost ist in dieser Angelegenheit vorgeprescht“ – und sie soll sich doch am 8. September wieder melden, wenn der zuständige Mitarbeiter aus dem Urlaub zurück sei. Sie habe sich über die Art und Weise, wie man im Hofer Landratsamt mit dem Leid der Flüchtlinge umgehe, sehr geärgert, berichtet die Leserin aus Oberkotzau.

Kann es sein, dass das Landratsamt in Hof in Sachen Flüchtlingsunterkünfte arbeitsunfähig ist, wenn ein einziger Mitarbeiter im Urlaub ist? Noch vor einer Woche hatte das Amt unserer Zeitung schriftlich mitgeteilt, dass geeignete neue Objekte für Asylbewerber gesucht werden.

Das bestätigte der Hofer Landrat Dr. Oliver Bär am Montag auf Frankenpost -Anfrage erneut: „Wir schauen uns ständig neue Objekte an, aber wir können sie nicht am Telefon anmieten“, sagte Bär. Den Vorwürfen der Leserin aus Oberkotzau wolle er „hausintern nachgehen“. Oliver Bär verspricht: „Wir haben eine Liste mit möglichen Unterkünften, die wir abarbeiten; wir werden uns mit all denen, die sich bei uns melden, auseinandersetzen.“ Trotzdem werde das etwas Zeit beanspruchen. Der Suchaufwand sei erheblich und „die Arbeitskräfte-Situation ist auch nicht ideal“. Prinzipiell gelte: „Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit. Wir müssen uns auch mit den zuständigen Kommunen vor Ort absprechen.“

Eine Liste möglicher Flüchtlingsunterkünfte, die sich im Besitz der Kommunen befinden, liege der Regierung von Oberfranken bereits vor. Noch im September solle sich entscheiden, „ob diese Objekte auch geeignet sind, um Flüchtlinge darin unterzubringen und sie mittelfristig in die Region zu integrieren“, erklärt der Hofer Landrat.

Das Thema sei hochsensibel. Bisher habe die Bevölkerung im Landkreis sehr unterstützend gewirkt. „Die Grundbereitschaft zu helfen ist überall da.“ Ihm liege daran, dass das auch so bleibe.

Angesichts der Flüchtlingsströme hat sich auch die oberfränkische Regionalbischöfin Dr. Dorothea Greiner aus ihrem Urlaub an Pfarrer, Kirchenvorstände und Christen in Oberfranken gewandt, mit der Bitte, „zusammenzuhelfen“ und potenzielle Gebäude, die für Flüchtlinge infrage kommen, an die zuständigen Behörden zu melden. Es gelinge nicht schnell genug, für die neu aufzunehmenden Flüchtlinge genügend neue Unterkünfte zu schaffen. Außerdem bewegt Greiner die Sorge, „das die Stimmung in der Gesellschaft kippt, wenn der Andrang nicht nachlässt“. Sie fordert deshalb alle Kirchengemeinden, in denen sich Unterkünfte befinden, auf, „Runde Tische für die Flüchtlinge zu bilden“.

Das Diakonische Werk erhebt unterdessen schwere Vorwürfe gegen die Staatsregierung. „Die jetzige, extrem angespannte Situation wäre vermeidbar gewesen, wenn die bayerische Staatsregierung die Weichen in der Flüchtlingspolitik richtig gestellt hätte“, sagte der Vize-Vorsitzende des Diakonischen Werkes Bayern, Tobias Mähner, am Montag. Die Politik habe in den vergangenen Jahren häufig pauschalen „Asylmissbrauch“ unterstellt. „Diese Sichtweise hat zu einer kritischen Stimmung in der Bevölkerung zur Aufnahme von Asylsuchenden beigetragen.“ Aufgabe sei es nun, „für eine positive Willkommenskultur zu werben, um Ängste und Vorurteile abzubauen“.

Wir schauen uns ständig neue Objekte an, aber wir können sie nicht am Telefon anmieten.

Hofs Landrat Dr. Oliver Bär

 

Alle Kirchengemeinden, in denen sich Unterkünfte befinden, sollten ,Runde Tische‘ für die Flüchtlinge bilden.

Oberfrankens Regionalbischöfin

Dr. Dorothea Greiner

 

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