Bürger kämpfen gegen Mautpreller
Berg-Bruck – Von den Bauarbeiten auf der B 173 und den vielen Umleitungen ist zuletzt nicht jeder genervt gewesen. „Für uns“, sagt eine Bruckerin, „für uns ist das wie Urlaub – Traumurlaub vom Krach.“ Sie zupft an einem Transparent, das ihre Mitstreiter in die Höhe halten. „Uns reicht’s“ steht darauf: „1200 Lkw pro Tag sind genug.“ Spontan haben sich einige Anwohner des Berger Ortsteils Bruck in der „Brucker Senke“ versammelt, um gegen den Schwerlastverkehr auf der Staatsstraße 2692 zu demonstrieren. Seit Einführung der Lkw-Maut auf Autobahnen sind, so finden die Anwohner, viele Mautflüchtlinge auf dieser Strecke unterwegs, um so den Weg von der A 9 zur A 72 oder weiter durch Hof zur A 93 abzukürzen.
Eine Bürgerinitiative will sich jetzt wehren und ein Durchfahrtsverbot für Schwerlastverkehr erwirken. „Wir haben viel zu lange zugeschaut“, sagt Sprecher Alexander Winkler. „Jetzt übernehmen wir die Initiative.“ Eine Unterschriftenliste hat die Initiative bereits an den Landrat, an Behörden und Abgeordnete aus der Region verschickt.
Tatsächlich passieren nach Zahlen des Bayerischen Innenministeriums aus dem Jahr 2010 täglich 1220 Schwerlastwagen die Staatsstraße zwischen der Autobahnausfahrt Berg/Bad Steben und der Auffahrt auf die B 173 bei Köditz. Die Anwohner leiden unter dem Lärm und haben Angst um ihre Sicherheit. Auf der Abbiegespur zu stehen, während von hinten ein Lastwagen heranrauscht, diese Situation lässt einer Frau jedes Mal wieder kalte Schauer den Rücken herunterlaufen. Und ein Mann macht sich Sorgen um Schulkinder, die an der Bushaltestelle in der Senke warten. „Es ist auch eine immense Lärmbelästigung, gerade weil Bruck im Tal liegt“, sagt Alexander Winkler. Die Unterschriftenliste war in nur drei Tagen gut gefüllt: 116 Leute haben unterzeichnet. „Das Dorf steht komplett dahinter.“
Aber welche Chance hat ein Lkw-Verbot? Zuständige Straßenverkehrsbehörde ist das Hofer Landratsamt. Der Fall wird geprüft, wie Mitarbeiter Markus Käs erklärt. Das Landratsamt zieht seinen Worten zufolge zur Bewertung einen aktuellen Bericht der Bundesregierung heran. Laut diesem Bericht gibt es im Raum Hof keinen übermäßigen Mautausweichverkehr. Trotzdem kündigt Käs an, die Situation in Bruck genauer unter die Lupe zu nehmen. Das Landratsamt wolle zeitnah ein Treffen mit Polizei und Staatlichem Bauamt vereinbaren.
Ein Verbot könnte das Landratsamt aussprechen, doch müsste die Regierung von Oberfranken zustimmen. Regierungssprecherin Dr. Corinna Boerner verweist auf Nachfrage der Frankenpost auf das Prozedere. Demnach ist es möglich, mautbedingten Ausweichverkehr, der früher die Autobahn nutzte, im nachgeordneten Straßennetz zu unterbinden. Dabei müsse das Landratsamt aber belegen können, dass der Mautausweichverkehr „erheblich“ ist und dass sich Lärm und Abgase wirklich auf die Bevölkerung auswirken. Die Behörde müsse Zählungen und Befragungen über einen längeren Zeitraum durchführen, teilt die Regierung mit.
Die Brucker haben somit einige Hürden vor sich. Immerhin führt die Staatsstraße nicht direkt durch den Ort, sondern daran vorbei, wie Kurt Schnabel, Leiter des Staatlichen Bauamts in Bayreuth bemerkt. Dennoch erkennt er die Zunahme des Schwerlastverkehrs von 941 Fahrzeugen im Jahr 2005 auf 1220 im Jahr 2010: „Da gibt es einen Sprung, das muss man zugeben.“ Um die Belastung der Staatsstraße einzuschätzen, kann man die durchschnittliche Belastung bayerischer Staatsstraßen heranziehen. Laut Kurt Schnabel waren 2010 im Schnitt insgesamt 3851 Fahrzeuge auf den Staatstraßen unterwegs, davon 238 Schwerlastfahrzeuge: „Die Belastung bei Bruck liegt erheblich darüber.“ Der Anteil von Schwerlastverkehr liege bayernweit bei sechs Prozent, auf der Staatsstraße 2692 bei 20 Prozent. Trotzdem hält sich der Chef des Staatlichen Bauamtes mit einer Einschätzung zurück: „Eine abschließende Bewertung kann ich dazu nicht abgeben.“ Schnabel verweist aber darauf, dass die Staatsstraße für diesen Verkehr ausgelegt sei. „Die Straße wurde dafür gebaut, sie ist so bemessen, dass sie den Durchfahrtsverkehr aufnehmen kann.“ Freilich wirke sich der Verkehr auch auf den Straßenzustand aus: „Schäden in Form von Schlaglöchern haben natürlich Einfluss auf den Lärm, deshalb ist es für uns vorrangig, diese Straße in gutem Zustand zu halten.“
Ein Unfallschwerpunkt ist die Brucker Senke indes nicht, wie die Polizeiinspektion Hof erklärt. Ein schwerer Unfall mit Lastwagen passierte im Jahr 2001 – dabei kamen zwei Menschen ums Leben. Daraufhin wurde in der Brucker Senke Tempo 70 eingeführt.
Lkw dürfen auf Landstraßen 60 Stundenkilometer generell nicht überschreiten. „Sie fahren aber schneller, um Schwung zu holen“, sagt Alexander Winkler. Das weiß auch die Polizei: Kontrollen in der Brucker Senke sind häufig, die Beamten erwischen regelmäßig Temposünder. „Lkw sind oft dabei“, sagt Horst Taubald von der Polizei Naila.
Alexander Winkler wirbt um Verständnis: „Wir wollen nicht das Rad der Zeit zurückdrehen und wieder mit Fuhrwerken fahren“, sagt er. „Aber Mautpreller sollen zurück auf die Autobahn. Es gibt gut ausgebaute Straßen, man muss nicht wegen ein paar Euro Ersparnis die Staatsstraße benutzen.“
Gegen den sogenannten Quell-Ziel-Verkehr, also auch ansässige Unternehmen, haben die Brucker nichts, wie Winkler ausdrücklich betont. An den Nummernschildern sei allerdings zu erkennen, dass die meisten Schwerlastfahrzeuge von außerhalb stammen, viele aus dem Ausland. „Wir wollen gar nicht die regionalen Spediteure treffen, deren paar Lkw sind völlig in Ordnung.“
Zahlen
Güterverkehr pro Tag: 2010: 1421 Fahrzeuge; 2005: 1028 Fahrzeuge; 2000: 1235 Fahrzeuge; 1995: 1037 Fahrzeuge; 1990: 286 Fahrzeuge;
Schwerlastverkehr pro Tag (Fahrzeuge ab zwölf Tonnen): 2010: 1220 Fahrzeuge; 2005: 941 Fahrzeuge; 2000: 1076 Fahrzeuge; 1995: 994 Fahrzeuge; 1990: 203 Fahrzeuge;
Die Brucker vermuten, dass der Schwerlastverkehr auf der Staatsstraße 2692 nach der Wende 1990 sowie mit Einführung der Lkw-Maut 2005 zugenommen hat.
Einen Bericht der Bundesregierung über den Mautausweichverkehr gibt es über das Dokumentations- und Informationssystem für parlamentarische Vorgänge:
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dipbt.bundestag.de/extrakt/ba/WP17/500/50079.html