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Spion im Wohnzimmer: Smart-TVs mit Spionage-Funktion: So überwacht Sie Ihr Fernseher

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Spion im Wohnzimmer

Von Christoph de Leuw, Reinhard Otter, 09.02.2014, 12:00 Uhr

Der TV-Sender sieht, wenn Sie wegzappen: Mit Hilfe von Smart-TVs prüfen die Sender, welches Programm wie lange angeschaltet bleibt. Und: Sie geben die Daten an Google weiter.

Smart-TVs mit Spionage-Funktion Sieht harmlos aus: Drückt man bei einem Fernsehprogramm mit HbbTV-Angebot auf die rote Fernbedienungs-Taste, erscheint das Auswahl-Menü mit Mediathek, Videotext und mehr.  © COMPUTERBILD

Sieht harmlos aus: Drückt man bei einem Fernsehprogramm mit HbbTV-Angebot auf die rote Fernbedienungs-Taste, erscheint das Auswahl-Menü mit Mediathek, Videotext und mehr.

Mit dem sperrigen Begriff HbbTV versprechen die TV-Sender tolle Extras zum laufenden Programm aus dem Internet: Etwa eine ausführliche Programmvorschau, eine Mediathek mit früheren Sendungen und einen bebilderten Videotext. Aktuelle Smart-TVs, die Zugang zum Internet haben, können diese Dreingaben anzeigen. Der Fernseher ruft bei jedem Programmwechsel eine spezielle Internet-Startseite des gewählten Senders auf ? oft ist das nichts weiter als ein roter Knopf, der sich unten rechts auf dem Bildschirm über das TV-Bild legt. Über die rote Fernbedienungstaste startet dann das eigentliche HbbTV-Menü und bietet Programminfos, Mediatheken und mehr. Doch über diesen Dienst gelangen nicht nur Informationen von den Sendern an die Zuschauer, sondern auch in umgekehrter Richtung: Fernsehsender können erfahren, welche ihrer Angebote die Zuschauer wie lange nutzen. Eine solche Auswertung von Nutzerdaten ist im Internet üblich ? wer am Computer im Netz surft, hinterlässt genauso Spuren auf den besuchten Internetseiten.

Welche Geräte sind betroffen?

Generell ist jeder Fernseher, der HbbTV-Angebote anzeigen kann und mit dem Internet verbunden ist, von der Schnüffelei betroffen ? also nahezu jeder Smart-TV ab Modelljahr 2012. Was viele aber nicht ahnen: Selbst wer HbbTV gar nicht verwendet, verrät den Sendern viel über sein Nutzungsverhalten. Das konnte COMPUTER BILD im Labor nachweisen, indem die Experten den Datenverkehr zwischen Fernsehern und Internet protokollierten.

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Wie funktioniert die Schnüffelei?

Bei jedem Kanalwechsel ruft der HbbTV-fähige Fernseher automatisch im Hintergrund die Startseite ab ? ohne dass der Zuschauer irgendeine Taste drücken muss. Wie jede Webseite überträgt die Startapplikation vielfältige Informationen an den angeschlossenen Server der TV-Sender. So überträgt sich beim Verbindungsaufbau eine Kennung des Gerätetyps. Auch der ungefähre Standort des Geräts lässt sich aus den Daten ablesen. Die automatisch aufgerufene Startapplikation bleibt außerdem dauerhaft aktiv: Je nach Sender schickt sie etwa im Minutentakt eine Meldung, dass der Kanal weiterhin eingestellt ist. Der Privatsender Anixe HD blendet auf diesem Weg zusätzliche Werbung ein. Im Gegensatz zu herkömmlicher TV-Werbung lässt sich diese Online-Werbung zielgerichtet auf die Region abstimmen.

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Welche Daten sind betroffen?

AUDIO VIDEO FOTO BILD hat den verborgenen Datenverkehr durch die HbbTV-Startapplikation bei allen großen TV-Sendern untersucht. Das Ergebnis: Die Menge und Art des Datenaustauschs unterscheidet sich deutlich. Die HbbTV-Server des ZDF etwa fragen nur einmalig den Gerätetyp ab und schicken dann die gewünschten HbbTV-Daten. Anders bei Pro 7 und RTL: Die HbbTV-Startapplikation schaufelt im Hintergrund eifrig Daten zum Sender ? und sogar an Dritte. Die Nutzungsdaten landen nämlich auch beim Online-Statistikdienst Google Analytics ? laut RTL-Sprecher aber ?rein zum Zweck der anonymisierten Messung der technischen Reichweite?. Doch wirklich anonym sind die Nutzungsdaten nicht unbedingt.

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Was hat Google damit zu tun?

Google Analytics wertet die Nutzung von unzähligen Online-Angeboten aus ? dazu gehören auch die HbbTV-Dienste der Fernsehsender oder die Internetseite von COMPUTER BILD. So lässt sich im Auftrag der Seitenbetreiber messen, wie viele Besucher den Internetauftritt besuchen, welche Bereiche sie aufrufen und wie lange sie verweilen. Google Analytics kann aber auch erkennen, woher die Nutzer kommen und wie oft sie wiederkehren. Dafür nutzt der Konzern Cookies. Das sind kleine Dateien, die sich auf einem Gerät installieren, wenn es eine Internetseite abruft. Das kann durchaus Vorteile für den Nutzer haben, weil er dann zum Beispiel Einstellungen wie die Schriftgröße nicht erneut seinen Wünschen anpassen muss ? auch etwa beim Videotext per HbbTV. Google kann solche Cookies wiedererkennen ? egal, ob sie auf dem PC oder im Fernseher gespeichert sind.

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Warum ist das problematisch?

Die Abfrage nutzerbezogener Daten über das Internet muss jeder Dienstanbieter mittels Datenschutzerklärung erläutern. Die HbbTV-Seiten der Fernsehsender haben zwar solche Hinweise. Wer aber nie eine HbbTV-Seite aufruft, weil er nur fernsieht, entdeckt die Datenschutzhinweise nicht und wird dank Google Analytics dennoch von einigen Sendern ausgeforscht. Es droht sogar eine weitere Gefahr: Google bietet unter anderem mit Suche, Google+, Picasa und YouTube mehrere Dienste mit persönlichem Nutzerkonto an. Das lässt sich prinzipiell mit der IP-Adresse verknüpfen, die jeder Internetzugang hat. Über den Abgleich der IP-Adressen eines Haushalts ist Google somit technisch in der Lage, einen Smart-TV-Besitzer einem Google-Nutzerkonto zuzuordnen und damit persönlich zu identifizieren.

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Wie kann man sich vor der Schnüffelei schützen?

Am einfachsten wäre es, den Internet-Zugang des Fernsehers gar nicht erst zu nutzen. Dann gibt es aber auch keine Annehmlichkeiten wie Mediatheken, Videotheken und mehr. Einige TV-Modelle bieten außerdem die Möglichkeit, im Menü HbbTV zu deaktivieren. Hinweis: Samsung nennt diese Funktion Datendienste, die Sie dann ausschalten müssen. Alle anderen Smart-TV-Funktionen sind davon nicht betroffen und funktionieren weiterhin. Aber auch andere Smart-TV-Funktionen übermitteln Nutzerdaten ? oft funktionieren sie überhaupt erst dadurch: So lassen sich zu laufenden Videos oder Musik Titelinfos per Internet abrufen oder es gibt Empfehlungsfunktionen, die aufgrund der angeschauten TV-Sendungen und Videos weitere Titel vorschlagen. Wer solche Funktionen nutzt muss wissen, dass er damit seine Nutzungsdaten preisgibt.

Lassen sich gespeicherte Cookies beseitigen?

Smart-TVs bieten nicht die Schutzmöglichkeiten von Computern. Nur bei Philips-Fernsehern sind die Einstellmöglichkeiten vorbildlich: Für jeden TV-Sender lässt sich einzeln festlegen, ob man das HbbTV-Angebot des jeweiligen Senders nutzen möchte. Außerdem lassen sich im Netzwerk-Menü unter dem Punkt ?Internetspeicher löschen? alle Spuren beseitigen. Bei allen Smart-TVs lassen sich im HbbTV-Menü vom ARD wenigstens die Cookies nach der Nutzung entfernen, beim ZDF die sogenannten Zählpixel deaktivieren. Damit lässt sich der Fernseher nicht ganz so leicht wiedererkennen.

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