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Söder nimmt sich Zeit für das Fichtelgebirge

Thierstein Eine Hochschule für den Landkreis? Eher nicht. Eine neue Großbehörde in Marktredwitz? Sehr wahrscheinlich. Eine Landesgartenschau 2022 in Selb? Warum nicht. Dies ist kurz gefasst das Ergebnis des Gespräches der 17 Landkreisbürgermeister mit Heimatminister Markus Söder am Freitagvormittag im BD-Forum in Thierstein.

Obwohl er als Pünktlichkeitsfanatiker gilt, macht Söder im Landkreis Wunsiedel eine Ausnahme. Er kommt eine Viertelstunde früher als vorgesehen nach Thierstein und bleibt fast eine halbe Stunde länger. Das Thiersteiner Pfarrerehepaar Ellen und Knut Meinel, ihre Marktleuthener Amtskollegin Claudie Schlottke und einige Bürger mussten sich daher in Geduld üben, bis sie dem Minister beim Verlassen des BD-Forums ein Ständchen singen durften. Sie hatten das Sankt-Martins-Lied liebevoll-ironisch umgedichtet. „Sankt Markus ist ein armer Mann, hört sich allzeit das Jammern an. Sankt Markus, teil die Gelder fein, da muss doch noch was möglich sein.“ Und dass noch was möglich ist, das hatte Söder in den zwei Stunden zuvor den Stadt- und Gemeindeoberhäuptern samt Landrat Dr. Karl Döhler tatsächlich mitgeteilt. So sollen die Stabilisierungshilfen für finanzschwache Kommunen um 20 auf 120 Millionen Euro aufgestockt werden. Im vergangenen Jahr erhielt der Landkreis Wunsiedel mit 22 Prozent den Löwenanteil dieser Hilfen. Dass dies heuer wieder der Fall sein wird, wollte Söder zwar nicht versprechen, er wolle sich aber dafür einsetzen. „Ich weiß, dass Hochfranken einer besonderen Unterstützung bedarf.“

Sicherlich ebenso wichtig für die finanziell klammen Kommunen – 15 von 17 Gemeinden haben keinen genehmigten Haushalt – war die Ankündigung des Heimatministers, die Rahmenbedingungen des Haushaltsrechtes zu lockern. „Derzeit dürfen Kommunen ohne genehmigten Haushalt Projekte nicht angehen, auch wenn diese langfristig von Nutzen wären. Hier werden wir flexiblere Lösungen finden.“

Über diese Aussage freute sich besonders der Selber Oberbürgermeister Ulrich Pötzsch. Erst vor vier Wochen hat die Regierung in Bayreuth der Stadt Selb die Bewerbung für die Große Landesgartenschau 2022 mit Verweis auf das Haushaltsrecht untersagt. Pötzsch sieht nun große Chancen, dass die Porzellanstadt in acht Jahren doch noch erblühen kann. Zumindest sollte eine qualitativ hochwertige Bewerbung möglich sein. „Landesgartenschauen sind die Klassiker für eine positive Stadtentwicklung. Davon wird auch die gesamte Region profitieren.“

Pötzschs Marktredwitzer Amtskollege Oliver Weigel kann sich nach dem Minister-Gespräch ebenfalls Hoffnungen machen: Söder sagte, dass „wir bei der Behördenverlagerung den Raum Wunsiedel priorisieren“. Schon vor Monaten haben sich die Landkreisbürgermeister für den Standort Marktredwitz ausgesprochen. Laut Söder wird es bis Ende März eine Entscheidung geben. Auf Nachfrage der Frankenpost , ob eine Großbehörde mit 500 und mehr Bediensteten möglich sei, wollte sich der Minister nicht festlegen. „Das ist ein sensibles Thema. Wir müssen an die Mitarbeiter denken.“ Zwischen den Zeilen wurde deutlich, dass Söder keine Hauruck-Umsiedlung von Hunderten Beamten aus einem Ballungsraum nach Marktredwitz plant, sondern in längeren „Zeitachsen“ denkt. Wenn zum Beispiel in München ein Mitarbeiter ausscheidet, kann dessen Stelle in der Großen Kreisstadt neu besetzt werden.

Wohl auf lange Sicht vom Tisch ist die Hochschule, die sich viele regionale Politiker für den Landkreis Wunsiedel gewünscht haben. „Das Thema Forschung und Wissenschaft war Schwerpunkt des Nordbayernplans“, sagte Söder dazu. Bekanntlich wurde hier der Landkreis Wunsiedel mit keinem Wort erwähnt. Etwas kryptisch nannte der Minister ein weiteres Projekt: „Wir wollen noch etwas Neues im Bereich Internet für die Region auf die Beine stellen.“ Näheres wollte er auch auf Nachfrage nicht nennen.

Dass der Landstrich dringend Hilfe benötigt, um die strukturellen Probleme zu meistern, das hat Söder offenbar verinnerlicht. „Allerdings“, so der Minister, „müssen wir hier längerfristig arbeiten.“ Er wolle sich künftig jährlich mit den 17 Bürgermeistern treffen. „Wir müssen regelmäßig analysieren, was wir umgesetzt haben und welche Ideen sich noch verwirklichen lassen.“

Damit lag Markus Söder voll auf der Linie der 17 Bürgermeister. Alle von der Frankenpost befragten Stadt- und Gemeindeoberhäupter waren mit dem Gespräch mehr als zufrieden. „Als parteiunabhängiger Oberbürgermeister würde ich durchaus Kritik äußern. Aber es war ein sehr konstruktiver und zielführender Vormittag, ich bin angenehm überrascht“, sagte zum Beispiel Ulrich Pötzsch.

Ich weiß, dass Hochfranken einer besonderen Unterstützung bedarf.

 

Stimmen zum Minister-Gespräch

Oliver Weigel , Oberbürgermeister von Marktredwitz: „Es war ein sehr gutes Gespräch. Wieder einmal haben alle 17 Bürgermeister bei den Sachfragen Einigkeit gezeigt. Ich bin mir sicher, dass dies bei Minister Söder gut angekommen ist. Positiv ist, dass er die Absicht, eine Behörde zu verlagern, bekräftigt hat. Es gibt aber noch weitere Projekte, die wir besprechen wollen.“

Heinz Martini, Bürgermeister in Tröstau: „So stellt man sich ein Gespräch mit dem Minister vor: Es war sehr konstruktiv, offen und fair. Jeder hat seine Ansichten frei heraus sprechen können. Ich bin mir sicher, dass uns dieser Vormittag weiterbringen wird.“

Karl-Willi Beck , Bürgermeister in Wunsiedel: „Wir haben Minister Söder vermittelt, dass wir 17 Bürgermeister zusammenstehen und uns gut verstehen. Es ist wichtig, dass Söder erkannt hat, dass die Gemeinden viele Projekte in der Pipeline haben, die im Grenzbereich zwischen freiwilligen und Pflichtaufgaben liegen. Wenn hier die Bürokratie abgebaut wird, ist uns sehr geholfen. Derzeit müssen wir an zwei, drei Stellen Begründungen schicken, wenn wir ein Projekt verwirklichen wollen.“

Landrat Dr. Karl Döhler : „Es war ein Gespräch auf hohem Niveau. Söder hat verstanden, dass wir nicht jammern. Er weiß, was wir brauchen und er ist bereit, unsere Ideen mit umzusetzen.“

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