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Frank A. Meyer: Jenseits von Gut und Böse

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N ein, dieser Stoss­seufzer darf einer breiteren Öffentlichkeit nicht vorenthalten bleiben. Die Verzweiflung des verehrten Kollegen Ermes Gallarotti verdient Würdigung. Darum hier seine Worte aus der «Neuen Zürcher Zeitung» vom Donnerstag:

«Warum lernen Banken nicht aus ihren Fehlern? Weshalb reiht sich ein imageschädigender Manipulationsvorwurf an den anderen?»

Ja, warum ist das so, weshalb nur?

Der Versuch einer Erklärung beginnt leider mit der NZZ selbst: Über Jahre und Jahre huldigte sie dem ebenso schrankenlosen wie hemmungslosen Finanzkapitalismus; wieder und wieder warf sie sich den Herren des Geldes zu Füssen; für und für verklärte ihr langjähriger Wirtschaftschef Gerhard Schwarz das Bankgeheimnis zu einer geradezu humanitären Instanz ? galten ihm doch die Steuerbetrüger aus aller Welt als «bemitleidenswerte Geschöpfe», die sich «vor Verfolgung» und vor «einem unmenschlichen Regime» retten mussten.

Tag um Tag dozierte das ehrwürdige Zürcher Blatt im Wirtschaftsteil die Doktrin marktradi­kaler Herrschaft: gegen Regulierung, gegen politische Gestaltung, gegen den Staat.

Denn so lauteten sie nun mal, die Ge­bote der neoliberalen Kirche: 

Der Markt ist die einzig gültige Ordnung; das Urteil des Marktes ist Gottes Urteil; das Geld ist Gottes Wesen; die Welt gehört dem marktradikalen Ero­berer; die Banker der globalen Finanzwirtschaft sind die Avantgarde der Revolution.

Die neue säkulare Religion wurde gepredigt von den Kanzeln der ökonomischen Fakultäten; sie wurde volkstümlich übersetzt von der Wirtschaftspub­lizistik; sie wurde bejubelt durch die Chöre der politisch Rechtgläubigen.

Diese Kultur ökonomischer Hoffart liegt allem Übel zugrunde, das der westlichen, der demokratischen, der rechtsstaatlichen Zivilisation gerade widerfährt: Manipulation, Täuschung, Betrug, Spekulation, Zockerei, Raffgier, Lug und Trug. «Eine zerstörerische Kultur», so die NZZ.

Wie hätte es auch anders kommen sollen? Was hatten die global operierenden Banker denn gelernt?

Dass sie die Schaltzentralen der Geldmacht bedienen; dass die Geldmacht Weltmacht bedeutet; dass die Staaten vernachlässig­bare Grössen sind; dass deren Gesetze auf dem Trading Floor Lachsalven provozieren; dass im Markt das einzige Recht das Recht des Stärkeren ist.

So begriffen die Geldhändler die Lehre vom totalen Markt: als Markt­ismus, der wie sein Gegenstück, der Marxismus, auf totalitäre Mentalität hinausläuft. 

Nun aber reklamieren ausgerechnet die Apologeten des ent­fesselten Finanz­kapitalismus Moral! Nicht nur in der NZZ.

Doch das Geldgeschäft kennt den Begriff Moral gar nicht. Er hat sich in der ideologischen Wolke des Marktismus verflüchtigt wie einst und exakt auf gleiche Weise in der ideologischen Wolke des Marxismus.

Moral ist ein Begriff der bürgerlichen Gesellschaft, also einer Kultur, die von den Marktisten ebenso verachtet wird wie von den Marxisten. Wer aber Moral nicht kennt, kann auch nicht unmoralisch handeln, denn er bewegt sich in der Sphäre der Amoral ? jenseits aller Moral, jenseits von Gut und Böse.

Ja, das ist die Kernbotschaft des Neo­liberalismus: Markt tilgt Moral.

Darum auch ist jetzt alles Entsetzen über die Täter in den Türmen der Banken nichts als Beschwörung: «Besen, Besen! Seids gewesen.»

Schön wärs!

sehr wichtig einige Ideen

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