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Das Trademark Clearinghouse und die neuen Domains: Ein Paradies für Markentrolle?

Fitness, Auto, Sex und Cloud: in der Markendatenbank der ICANN befinden sich einige allgemeine Begriffe. Es scheint, als sei das Trademark Clearinghouse zum Spielplatz für Markentrolle geworden.

Wer sich auf der Seite des Registrars United Domains eine Domain mit dem Begriff „Taxi“ registrieren will, erlebt eine böse Überraschung. Bei etlichen neuen Top Level Domains ploppt eine Warnung auf: Eine schwedische Firma namens Torbjorn Bertil Ahlberg hat das Recht an dieser „Marke“.

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Auch Trolle freuen sich über die Möglichkeiten des Trademark Clearinghouses Vergrößern
Bild: Flickr-Nutzerin marcyleigh (CC BY-ND 2.0)
Wie viele allgemeine Begriffe auf die Art geschützt sind, lässt sich nur schwer ermitteln. Die Markenliste des Trademark Clearinghouses (TMCH) ist nicht öffentlich einsehbar. Eine Stichprobe mit etwa 100 kommerziell interessanten Begriffen fördert jedoch einige generische Marken zutage.

„Auto“, „Sex“ und „Taxi“ als Marke?

Eine Kostprobe: Das Wort „Auto“ ist durch die Schweizer Firma Belron Hungary Kft. geschützt. Der Schweizer Nahrungsmittelkonzern Nestlé hat sich „Fitness“ eintragen lassen und der Süßwarenhersteller Ferrero den Begriff „Kinder“, den er sich auch als TLD sichern will. Der Begriff „Immobilien“ ist durch die österreichische Eresnet GmbH geschützt, Betreiberin mehrerer Immobilien-Plattformen. Die Markeneintragung im österreichischen Patentamt lautete ursprünglich „?I?M?M?O?B?I?L?I?E?N?“. Andere geschützte „Marken“ lauten: „Cloud“, „Bank“, „Villa“, „Blog“, „Golf“ und „Party“.

Die norwegische Firma Torbjorn Bertil Ahlberg hat gleich mindestens fünf Begriffe eintragen lassen, unter anderem „Sex“, „Taxi“ und „Poker“, alle wurden ursprünglich in Schweden registriert und dann von den Inhabern ins TMCH überführt. Übertroffen wird das noch von der US-Holding What Box?, die sich auch selbst um diverse Top Level Domains bewirbt. Von 35 auf Schweizer Rechtsgebiet angemeldeten Marken stehen 34 im Trademark Clearinghouse, darunter „Club“, „Money“, „Dating“ sowie „Radio“.

Sonnenaufgang für Markeninhaber

Die Eintragung einer Marke in das im Frühjahr 2013 eröffnete und ansonsten nur mäßig erfolgreiche Clearinghouse verhilft den Inhabern zu einigen interessanten Privilegien. Bevor eine Internetendung für die Allgemeinheit freigeschaltet wird, haben sie in der mindestens 30-tägigen Sunrise-Phase jeder TLD Zugang zu korrespondierenden Domains. Die schwedische Firma Torbjorn Bertil Ahlberg könnte so vor allen anderen Nutzern Webadressen mit dem Begriffen Taxi, Sex oder Poker sichern. Thomas Rickert, Domainrechtsexperte des Branchenverbands Eco, hält das für ein Problem, denn andere Interessenten erhalten gar nicht erst die Chance, eine Domain zu registrieren und damit eventuell auch ein Geschäft aufzubauen.

Die Schnappschützen / Schollmeyer & Rickert
Thomas Rickert Vergrößern
Bild: Die Schnappschützen / Schollmeyer & Rickert
Eigentlich dürften Marken mit allgemeinen Begriffen überhaupt nicht existieren, das System lasse sich aber austricksen: „Um an eine Markeneintragung zu kommen, fügen Anmelder daher einem generischen Begriff grafische Elemente hinzu oder melden diese für solche Waren- und Dienstleistungen an, für die der Begriff nicht beschreibend ist.“ So wird das „Freihaltebedürfnis“ geschickt umgangen.

No-go-Areas bei Registraren

Wurde die neue Internetendung für die Allgemeinheit freigeschaltet, erfüllt das TMCH noch eine zweite Funktion. Will jemand anderes eine Domain registrieren, zu dem ein Markeneintrag existiert, müssen die Registrare ihn während einer mindestens 90-tägigen „Claims“-Phase darauf aufmerksam machen. Registriert er trotzdem, erhält der Markeninhaber eine Benachrichtigung und kann dagegen vorgehen. Rickert gibt hier allerdings Entwarnung. Eine problematische Marke wird sich im „Verletzungsfall“ rechtlich kaum durchsetzen lassen.

Olivier Crépin-Leblond von der Nutzer-Organisation ALAC sieht jedoch die Gefahr, dass sich Domain-Interessenten durch die Warnung womöglich abschrecken lassen. Hinzu kommt, dass Domains mit geschützten Begriffen bei einigen Registraren gar nicht erst registriert werden können, sie werden zu No-go-Areas. Wer die Domains taxi.reisen oder immobilien.cash erwerben will, bekommt bei United Domains per Pop-up einen „Hinweis zu möglicher Markenrechtsverletzung“ zu sehen. Er muss bestätigen, dass er die Markenrechte nicht zu verletzten gedenkt und kann fortfahren. Bei Strato allerdings sieht man: „Domain ist aus Gründen des Markenrechts zurzeit nicht registrierbar bei Strato“. Und wer bei 1&1 registrieren will, erfährt nur: „Dieser Domainname kann aus rechtlichen Gründen nicht vergeben werden“.

ICANN: Wir sind keine Markenprüfer

Die Registrare sind verpflichtet, sich an den Eintragungen im Trademark Clearinghouse zu orientieren, egal wie fragwürdig die Marken erscheinen mögen. Das Trademark Clearinghouse verweist auf Nachfrage an die ICANN, da die für die „Policy“ des Programms zuständig sei.

Die ICANN sieht keine Möglichkeit und Notwendigkeit, gegenzusteuern. Das TMCH sei nur eine Datenbank, meint Christine Willett, Vizepräsidentin für gTLD Operations bei der ICANN: „Da das Clearinghouse Marken-Informationen aus allen Rechtsgebieten verifiziert, akzeptieren sie alle Marken, die die Kriterien dafür erfüllen ? sie spielen nicht die Rolle eines Prüfers, der entscheidet, welche Marken erteilt werden sollten.“ Zudem gebe es gar keine Definition generischer Marken. Die Internetverwaltung werde aber natürlich alle Rechtsschutz-Mechanismen einer umfassenden Überprüfung unterziehen, so dass auftauchende Probleme über den Multistakeholder-Prozess der ICANN verhandelt werden können.

Thomas Rickert erinnert sich, dass anfangs ein aktiver Schutzmechanismus gegen spekulative Markenanmeldungen im Gespräch war: Die Vorrechte in der Sunrise-Phase sollten nur für Marken gelten, die vor der Verabschiedung des TLD-Programms angemeldet wurden. Der Vorschlag habe es aber leider nicht bis in das endgültige Regelwerk geschafft. In zukünftigen TLD-Runden müssten vergleichbare Sperrfristen neu in Betracht gezogen werden, auch wenn so etwas immer nur begrenzten Erfolg habe: „Nahezu jedes Schutzsystem kann durch gewieftes Agieren ausgehebelt werden.“ (Stefan Mey) / (anw)

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