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Brüssel, ich hab? mehr erwartet!

Brüssel, die Hauptstadt des Königreichs Belgiens, hat mir viel versprochen. Jugendstilbauten, barocke und klassizistische Gebäude, mehr als 130 Museen, Europaparlament und Atomium  ? ich erwartete eine Kulturstadt von Weltrang, fühlte mich aber immer wieder erinnert an ihre anfängliche Bezeichnung als ?Siedlung in den Sümpfen?.

Sightseeing, von wegen!

Am Gare Centrale ziehe ich ein Ticket für den CitySightseeingBus, eine tolle Möglichkeit, die Stadt zu erkunden, wenn die Zeit knapp ist. Zwei Touren werden angeboten; ich sitze im Gefährt der Red Line und freue mich auf Atomium, die Basilika Sacre Coeur und das ulkige Manneken Pis.

Erst als der Bus am Atomium Halt macht, ist mir klar, dass wir bereits drei Highlights passiert haben. Asche auf mein Haupt! Ich habe die Sehenswürdigkeiten nicht als solche erkannt. Klar, den Japanischen Turm und die Königliche Residenz von Laken haben meine Augen registriert ? große ?Ahs? und ?Ohs? waren allerdings weder mir noch den anderen Touristen zu entlocken.

Müll, überall Müll!

Durch die Fensterscheiben sehe ich überall Müll herumliegen, viel Müll, sehr viel Müll. Das wird sich bei meiner anschließenden Erkundungstour zu Fuß leider auch nicht ändern. Es scheint, als hätte ein gigantischer Lastwagen allerhand Unrat über die Stadt gekippt. ?Ziemlich peinlich?, denke ich, ?so wird Europa also repräsentiert.?

Ich lasse das Atomium links liegen, da ich nicht den ganzen Tag in der Schlange stehen will. Am nächsten Stopp ?National Basilica?, die im Französischen den hübschen Namen Sacre Couer trägt, steige ich aus. Auf dem grünen Rasen, der den Weg zum Haupttor säumt, liefert sich ein junger Vater ein Fußballmatch mit seinem Sohn. So weit, so romantisch. Leider ist die versiffte Eingangspforte abgeschlossen, so dass ich es mit Goethes Faust halte: ?Da steh? ich nun ich armer Thor ??

Der schwer zu entziffernde Busplan kündigt die nächste Mitfahrgelegenheit in frühestens 30 Minuten an. Also mache ich mich mit einem ungenauen und für menschliche Augen kaum lesbaren Stadtplan zu Fuß auf in Richtung Grote Markt. Noch habe mich mit Brüssel nicht abgeschlossen, bin gespannt auf das Zentrum und bereit, der Stadt eine zweite Chance zu geben.

Ich frage mich bis ins Zentrum durch. Die Passanten sind allesamt so nett und hilfsbereit, dass es mir glatt auffällt. ?Schade Leute, dass ihr in so einer dreckigen Stadt lebt?, denke ich mir. Denn vor dem herausgeputzten und gleichsam architektonisch eindrucksvollen Rathaus scheinen gleich mehrere Müllsäcke auf einmal zerplatzt zu sein ? wo sonst kommen solche Menge an Plastik, Papier und vergammelten Essensresten her?

Lichtblick ?Grote Markt?

Je näher ich dem Grote Markt komme, desto mehr Touristen tummeln sich in meiner Nähe. Ich erspähe einen Souvenirshop nach dem anderen und gerate völlig aus dem Häuschen, als ich von Chocolaterie zu Chocolaterie stolpere, den köstlichen Kakaoduft einatme und belgische Pralinen nasche. ?Brüssel, ich habe Dir Unrecht getan?, denke ich angesichts der heimeligen Gassen, den imposanten Gebäuden und sicherlich auch dank der vom Schokokonsum aufgemischten Glückshormonen im Blut.

Redakteurin Katrin im Brüsseler Schokohimmel (c) blogg.de

Redakteurin Katrin im Brüsseler Schokohimmel (c) blogg.de

Mein Schokotripp findet ein jähes Ende als ich mich zum Manneken Pis durchfrage ? auf eine touristenfreundliche Beschilderung sollte man sich in dieser Stadt nicht verlassen. Griechische Imbissstände und türkische Dönerbuden so weit das Auge reicht. Ein leckerer, mediterraner Duft liegt in der Luft. Das ist nicht das Problem, wohl aber, dass Touristen hier die ganze Bandbreite belgischer Biere verköstigen sollen. Authentisch ist anders!

Touristenmagnet ?Manneken Pis?

Das Schauspiel vor dem Manneken Pis erinnert mich an das, was ich bereits im Pariser Louvre mit der Mona Lisa erlebt habe: Eine lächerlich große Ansammlung aufgeregter Menschen hält den Finger am Auslöser, dahinter eine erschreckend kleine Ikone. ?Im Ernst, so winzig?!?, frage ich mich, was mich allerdings nicht davon abhält, es den anderen gleichzutun.  Wenn man schon da ist ?

Manneken Pis (c) blogg.de

Manneken Pis (c) blogg.de

Vielleicht habe ich Brüssel auf dem falschen Fuß erwischt ? jeder hat mal einen schlechten Tag! Vielleicht habe ich mir die falschen Ecken angesehen, vielleicht zu viel erwartet. Ich bin zurück gekommen mit dem Gefühl, eine gehypte Person ohne Ausstrahlung kennengelernt zu haben. Ich werde es nicht darauf anlegen, bald wieder zurückzukommen. Gleichzeitig will ich es nicht ausschließen, der Stadt im Herzen Belgiens eine zweite Chance zu geben.

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